Unsere erste Begegnung mit Sitzvolleyball!


Volleyball im Sitzen. Im ersten Moment hört sich das nach einem Sport für faule Menschen an, die für ein gutes Gewissen kurzzeitig die Fernsehcouch gegen den Hallenboden eintauschen. Wie soll man sich das vorstellen? Volleyball - ein Spiel, das vor allem durch akrobatische Abwehraktionen, Sprunggewalt und Schnelligkeit beeindruckt - reduziert auf das Sitzen? Ganz so einfach ist es dann doch nicht, wie die Volleyballer des TuS 1990 e.V. bei einem Trainingsspiel gegen die Sitzvolleyballer des SV Berliner Brauereien am 28. September 2006 feststellen konnten.

Sitzvolleyball ist ein Behindertensport, an dem unter bestimmten Vorraussetzungen auch "gesunde" Menschen teilnehmen können. Gespielt wird nach den internationalen Volleyballregeln mit jeweils sechs Sportlern pro Mannschaft. Allerdings ist das Spielfeld auf zehn mal sechs Meter beschränkt. Die Netzhöhe liegt mit 1,15 Meter bei den Männern ebenfalls deutlich tiefer als beim normalen Volleyball. Die wichtigste Regel im Sitzvolleyball besagt, dass der Rumpf im Moment der Ballberührung in Kontakt mit dem Boden sein muss. Andernfalls wird die Aktion als Fehler abgepfiffen.

Mit diesem Hintergrundwissen tasteten sich die TuS-Herren im Sitzen an den Sport heran. Die Volleyball-Grundkenntnisse kamen ihnen dabei sehr zu Gute. Schwieriger gestalteten sich da schon die Bewegung auf dem Feld und das "Anlaufen" zum Angriff. Dazu bedurfte es einer speziellen Rutschtechnik, bei der man sich mittels Händen und Füßen über den Hallenboden schob. Die Brauerei-Männer saßen jedoch hilfsbereit zur Seite und gaben Tipps. Verschiedene Blasen an den Handballen und Blessuren an den Knien bezeugten nach dem Spiel jedoch, dass die Technik nicht an einem Abend erlernt werden konnte.

Zu Beginn des Spiels wurden die Schwächen der TuS-Männer sofort offenbar: Die Bälle gingen reihenweise ins Aus, weil man mit der Feldabmessung und der Schlagtechnik noch nicht zurecht kam. Dazu addierten sich Bewegungsmangel und schlechtes Stellungsspiel. Aufgrund des kleinen Spielfeldes waren die Ballwechsel sehr schnell und es war einiges an Reaktionsvermögen und Präzision gefragt, um den Ball im Spiel zu halten und Druck auf den Gegner ausüben zu können. Mit der Zeit gewöhnten sich die TuS-Herren aber mehr und mehr an die Abläufe und konnten gegen die vermeintlich "schwächste" Aufstellung des Brauerei-Teams fast einen Satz gewinnen. Dazu fehlte dann letztendlich aber die Erfahrung. Zudem saßen mit Steffen Barsch, Martin Rickmann und Mario Scheler immer wieder Spieler der Deutschen Sitzvolleyball Nationalmannschaft auf der gegnerischen Seite.

Steffen Barsch, der bereits in über 180 Länderspiele für Deutschland aktiv war, gab nach dem Trainingsspiel gern weitere Auskunft zu seinen Sport.

TuS: Seit wann gibt es die Abteilung Sitzvolleyball beim SV Berliner Brauereien?
Steffen Barsch: Die gibt es seit 1986, weil damals die Ballsportart Sitzball zu DDR-Zeiten komplett umgestellt wurde in Sitzvolleyball.

TuS: Wie viele Sitzvolleyball-Mannschaften sind zurzeit in Deutschland aktiv?
Steffen Barsch: Wir haben bundesweit 15 Vereinsmannschaften. Alles mit ziemlich weiter Entfernung, deshalb haben wir auch keinen Ligabetrieb und spielen das ganze Jahr über internationale Turniere. Es gibt dann einmal im Jahr die Deutschen Meisterschaften.

TuS: Wie kommt man überhaupt zum Sitzvolleyball? Muss man vorher schon Standvolleyball gespielt haben oder haben einige von den Spielern hier direkt mit Sitzvolleyball angefangen?
Steffen Barsch: Es haben einige direkt angefangen, größtenteils die Leute, die eine Amputation haben. Die sind über Krankenhäuser zu dem Sport gekommen. Ansonsten gibt es auch die anderen Fälle, zum Beispiel die Fußballverletzen, die Knieverletzten, die nichts mehr im Stehen machen können oder die dreimal springen und dann nicht mehr spielen können, weil alles weh tut. Die sind dann über Physiotherapeuten zu uns gekommen und dann auch dabei geblieben.

TuS: Waren wir euer letzter Trainingspartner auf dem Weg zur Deutschen Meisterschaft?
Steffen Barsch: Ich denke mal ja. Es gibt vielleicht noch einen Vergleich mit der Vereinsmannschaft aus Leipzig im Sitzvolleyball. Aber ansonsten war es dann vor der Deutschen Meisterschaft unser letzter Test.

TuS: Was erwartet ihr euch dieses Jahr von der Deutschen Meisterschaft, wo ihr in den letzten Jahren konstant Zweiter geworden seid?
Steffen Barsch: Auf jeden Fall konstant den Platz verteidigen. Aber auch, was wir uns jedes Jahr vornehmen, und es wird eigentlich von Jahr zu Jahr auch enger, dass wir auch endlich mal den Deutschen Meister nach Berlin bringen.

TuS: Gib doch bitte mal eine ehrliche Einschätzung unserer Leistung am heutigen Spieltag.
Steffen Barsch: Wir hatten ja das Glück, insgesamt gegen drei Standvolleyball-Mannschaften zu spielen. Aus Rudow war die erste Mannschaft. Gegen den SC Charlottenburg (die Mannschaft aus der 1. Bundesliga, Anm. der Redakt.) haben wir gespielt. Als letztes gegen euch und ihr ward die Zweitstärksten.

TuS: Dankeschön, Steffen. Viel Glück auf jeden Fall für die Deutsche Meisterschaft und vielleicht sehen wir uns da.

Bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften am 7. und 8. Oktober im Berliner Sportforum wurden die Erwartung des SV Berliner Brauereien voll erfüllt. In einem packenden Fünf-Satz-Finale bezwangen sie den ewigen Rivalen TSV Bayer 04 Leverkusen und konnten den Titel "Deutscher Meister" erstmals nach Berlin holen.

Weitere Information zum Thema Sitzvolleyball finden Sie unter: http://www.sitzvolleyball-berlin.de

Nils Kersten
Berlin, den 17.10.2006